Antibiogramm
Allgemeine Hinweise
Eine sinnvolle, gezielte und wirtschaftliche Antibiotikatherapie setzt in der Regel eine Empfindlichkeitsprüfung der kulturell nachgewiesenen Erreger voraus. Neben primären Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika tragen die Erreger häufig auch Resistenzen, die sie unter Therapie erworben haben, so dass unter Umständen wiederholte Bestimmungen des Antibiogramms notwendig werden.
Empfindlichkeitsprüfungen sind erforderlich bei Infektionen mit Staphylokokken, Enterokokken, Enterobakterien, Pseudomonaden und anderen Nonfermentern sowie bei Mykobakterien, Neisserien (z. B. Meningokokken) und Anaerobiern. Besonders wichtig sind diese Prüfungen bei Sepsis, Meningitis, Endokarditis und Osteomyelitis, bei nosokomial erworbenen und chronischen Infektionen, bei Erregerwechsel unter der Therapie sowie bei ausbleibendem Therapieerfolg.
Methoden und Beurteilung
Wesentlich verlässlichere Ergebnisse als der weit verbreitete Blättchen-Diffusionstest liefert der quantitative Mikrodilutionstest als Breakpoint-Methode. Das Verfahren prüft das Keimwachstum bei definierten, klinisch relevanten Konzentrationen der einzelnen Antibiotika. Es basiert auf der Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK), d. h. der Antibiotikum-Konzentration, die in vitro eben ausreicht, um das Bakterienwachstum zu hemmen.
Zur klinischen Interpretation wird die ermittelte MHK dem mikrobiologischen Wirkprofil, der Kinetik, Toxikologie und klinischen Wirksamkeit des Antibiotikums gegenübergestellt. Daraus ergibt sich die Eingruppierung in Empfindlichkeitsbereiche (nach DIN 58940):
S – Sensibel bei Standardexposition: Ein Mikroorganismus wird als Sensibel bei Standardexposition* eingestuft, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen therapeutischen Erfolg bei Standarddosierung der Substanz besteht |
I – Sensibel bei erhöhter Exposition: Ein Mikroorganismus wird als Sensibel bei erhöhter Exposition* kategorisiert, wenn bei erhöhter Exposition des Infektionserregers gegenüber der Substanz eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen therapeutischen Erfolg besteht, z.B. durch Erhöhung der Dosierung/geänderte Verabreichungsform oder durch Konzentrierung am Infektionsort. |
R – Resistent: Ein Mikroorganismus wird als Resistent eingestuft, wenn auch bei erhöhter Exposition eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein therapeutisches Versagen besteht. |
*Die Exposition des Infektionserregers gegenüber der antimikrobiellen Substanz am Infektionsort ist abhängig von zahlreichen Faktoren, wie der Verabreichungsform, Dosierung, Dosierungshäufigkeit, Infusionsdauer sowie Verteilung und Ausscheidung des Arzneistoffes. |
Die von uns erstellten Antibiogramme werden nach den genannten Grenzkonzentrationen (Breakpoints) schriftlich interpretiert. Die Antibiogramme werden EDV-gestützt auf ihre Plausibilität überprüft und fachärztlich validiert. Die Auswahl der zu testenden Wirkstoffe treffen wir nach der Art des Untersuchungsmaterials und des Erregers, wobei die speziellen Kreuzresistenzen berücksichtigt werden. Wenn vom Einsender die therapeutisch eingesetzten Antibiotika (wünschenswerterweise) angegeben werden, werden diese in die Testung einbezogen oder gesondert kommentiert.
Kreuzresistenz (Parallelresistenz)
Antibiotika-Klasse | Testsubstanz | Ergebnis gilt meist auch für |
---|---|---|
Penicilline | Penicillin G | Penicillin V, Azidocillin, Propicillin |
Aminopenicilline | Ampicillin | Amoxicillin, Pivampicillin, Bacampicillin |
Penicillinase-feste Penicilline | Oxacillin | Flucloxacillin |
Acylureidopenicilline | Mezlocillin | Piperacillin* |
Cephalosporine | Cefaclor Cefuroxim Cefotaxim** |
Cefadroxil u. a. Cefotiam Ceftriaxon, Ceftazidim*, Cefepim* u. a. |
Aminoglykoside | Gentamicin | Tobramycin* |
Tetracyline | Doxycyclin | Tetracyclin, Minocyclin |
Gyrasehemmer | Ciprofloxacin | Levofloxacin** |
** nicht bei Pseudomonas aeruginosa
Antibiogramm und Antibiotikum-Wahl
Die in-vitro-Befunde "sensibel" und "resistent" lassen nicht sicher auf die klinische Wirksamkeit des Antibiotikums schließen, da diese auch von der körpereigenen Abwehr, Infektionslokalisation u. a. Faktoren abhängt. Das Antibiogramm kann in der Regel nicht sagen, welches Antibiotikum das "beste" ist, sondern nur, welche Substanzen vermutlich nicht wirken.
Unter den Wirkstoffen, gegen die im Antibiogramm Sensibilität besteht, ist die Wahl des optimalen Präparates vor allem nach folgenden Kriterien zu treffen: therapeutische Wirkung (Bakteriostase/Bakterizidie, Pharmakokinetik, Wirkungsspektrum), Nebenwirkungen (Toxizität, Allergien, Normalflora-Zerstörung), klinische Bewährung, Wirtschaftlichkeit sowie unproblematische Anwendung (Applikationsform).
Antibiotika-Kombinationen sind manchmal für ein erweitertes Wirkungsspektrum bei Mischinfektionen, auch bei schweren Monoinfektionen zur Erzielung synergistischer Effekte erforderlich. Bei Kombinationstherapie muss immer auch die Möglichkeit antagonistischer und gleichgerichteter toxischer Effekte beachtet werden.
Diskrepanzen zwischen Antibiogramm und klinischem Verlauf:
Sensibler Erreger - klinisch dennoch Misserfolg:
- Abwehrschwäche, besonders Granulozytopenie
Fremdkörper (Katheter, Implantate) nicht drainierter Abszess fehlende Bakterizidie gestörte Resorption des Antibiotikums Antagonismus durch Kombination Resistenzentwicklung unter Therapie "Erreger" war nicht Erreger, sondern Kontaminant
Resistenter Erreger - klinisch dennoch Erfolg:
- besonders gut zugängliches Kompartiment, z. B. Harnwege
- Spontanheilung, z. B. bei Harnwegsinfekten
- "Erreger" war nicht Erreger, sondern Kontaminant